Read Sebastian Online

Authors: Anne Bishop

Tags: #Fiction, #Fantasy, #General

Sebastian (41 page)

Aber ihr Körper reagierte auf die Erinnerungen, und sie spürte Schmetterlinge im Bauch und feuchte Hitze zwischen ihren Schenkeln.
»Woran denkst du gerade?«
Aufgeschreckt durch den Klang seiner Stimme, drehte Lynnea sich um. Sebastian stand ganz nah bei ihr. Er hatte sich angezogen, aber nicht die Mühe gemacht, sein Hemd zuzuknöpfen, und diesen flüchtigen Blick auf
nackte Haut fand sie beunruhigend sinnlich. Erotischer, als wenn er gar kein Hemd getragen hätte. »Was?«
»Du hältst ein Kissen im Arm.«
»Was?« Als er sie nur anlächelte, spürte sie, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. »Ich dachte nur an … an …«
»Angenehme Träume?«
»Nein, ich -« Sie starrte ihn an. Erinnerte sich an die wenigen Bruchstücke der Geschichten über Inkuben, die sie gehört hatte, und wie sie sich normalerweise mit ihrer Beute verbanden. »Du … du kannst in meine Träume blicken?«
Er trat einen Schritt näher an sie heran. »Nur, wenn du mich einlädst. Und du hast mich eingeladen, süße Lynnea.« Feuriger Hunger blitzte in seinen Augen auf.
Du meine Güte. Darüber würde sie nachdenken müssen.
Sie wandte sich von ihm ab, legte das Kissen an seinen Platz und begann, das Laken glatt zu streichen. »Ich sollte bald bei Philo sein. Ich möchte nicht an meinem ersten Arbeitstag zu spät kommen.«
»Und ich muss einen Rundgang durch den Pfuhl machen, um die Brücken zu kontrollieren.« Stille. Dann: »Vermiss mich ein bisschen, ja?«
Während sie sich fragte, welche aufreizende Antwort man von Frauen auf eine Bitte dieser Art erwartete, strich sie noch einmal mit der flachen Hand über eine Seite des Bettes, bevor sie Sebastian ansah - und der Boden unter ihren Füßen ins Wanken geriet.
Nichts Feuriges oder Hungriges lag jetzt mehr in diesen grünen Augen. Nur Verwundbarkeit... und Sehnsucht.
Hatte ihn je jemand vermisst? Nicht den Inkubus und den Sex, den er bot, sondern Sebastian, den Mann? Hatte ihn je eine Frau willkommen geheißen, einfach weil sie froh war, ihn zu sehen?
Er braucht mich.
Das Wunder dieser Entdeckung erfüllte ihr Herz.
Sie trat zu ihm hin und sagte: »Ich werde dich mehr als ein bisschen vermissen.« Dann schlüpfte sie mit den Händen unter sein Hemd, schlang die Arme um ihn und legte ihren Kopf an seine Schulter.
Einen Moment lang versteifte er sich und zögerte, bis sein Körper und sein Geist erkannten, dass es sich bei dieser Geste um einen Ausdruck der Zuneigung und nicht um Vorspiel handelte. Er schloss sie in die Arme und zog sie näher an sich heran. Er strich mit der Wange über ihr Haar. Sein Körper entspannte sich und sein zufriedenes Seufzen war der schönste Klang, den sie je vernommen hatte.
»Du musst gehen«, sagte er. »Philo wird schon auf dich warten.«
»Ja.« Aber sie machte keine Anstalten, ihn loszulassen.
Er war es, der sich letztendlich von ihr löste. »Lynnea?«
»Ja?«
Sanft berührte er ihre Lippen mit den seinen. »Ich werde dich auch vermissen.«
 
Koltak und Hauptmann Dalton betrachteten die zwei Holzplanken, die über den schmalen Bach führten.
Dalton fluchte. »Eine Brücke so nah an der Stadt, und kein Schild, auf dem steht, wo sie hinführt.«
»Das liegt auch nicht in der Natur einer Resonanzbrücke«, erwiderte Koltak, allerdings so leise, als äußere er den Gedanken nur für sich. Oh, oft konnte man über eine Resonanzbrücke gehen und einen bestimmten Ort erreichen, wenn man die Konzentration aufrechterhielt. Aber zu anderen Zeiten missachtete die Brücke die Absicht des Geistes und nahm einzig die Resonanz des Herzens auf. Wenn dies geschah, konnte man überall enden.
»Das weiß ich«, sagte Dalton. »Das heißt aber nicht, dass es mir gefallen muss.« Er hielt inne. »Nun ja, es ist Eure Entscheidung, Zauberer Koltak. Unser Befehl lautet, auf dieser Seite der Brücke auf Euch zu warten und Euch
zurück in die Stadt zu geleiten.« Er blickte über die Schulter zurück zur Stadt, die in der Ferne noch immer sichtbar war.
Koltak zitterte. Es war ein vernünftiger Plan. Schließlich konnte er den Pfuhl nicht mit bewaffneten Wachen betreten. Aber er wollte diese Brücke nicht alleine überqueren, solange er nicht wusste, was auf der anderen Seite lag.
Vielleicht spürte Dalton sein Zögern, vielleicht war es auch das übliche Vorgehen, wenn eine Brücke überschritten werden musste.
»Faran«, sagte Dalton, »begleite Zauberer Koltak über die Brücke.« Er sah Koltak an. »Führt die Brücke in eine Landschaft des Tageslichts, so wird Faran Bericht erstatten, und der Rest von uns wird die Brücke überqueren, um Euch weiterhin als Geleitschutz zur Seite zu stehen. Ist es eine dunkle Landschaft, wird er einfach auf diese Seite zurückkehren und mit uns warten.«
Und ich werde alleine weitergehen, durch fremdes Land, um einen Mann zu finden, den ich am liebsten nie wiedersehen würde. Aber wenn es funktioniert, wird es das letzte Mal sein, dass ich ihn sehen muss - und mein Platz im Rat wird mir sicher sein.
»Faran wird Euer Pferd über die Planken führen«, sagte Dalton.
Koltak sah zu, wie der Mann vom Pferd stieg, die Zügel einem Kameraden übergab und seine Satteltaschen durchsuchte, bevor er sich Koltak mit einer kleinen Laterne in der Hand näherte. »Was ist mit seinem eigenen Pferd?«
»Er wird es nicht brauchen«, sagte Dalton. »Er geht nur kurz mit Euch hinüber und erstattet dann Bericht.«
Faran stand neben dem Kopf des Pferdes und blickte wartend zu ihm auf.
Koltak schloss die Augen und konzentrierte sich. Ich muss zu Sebastian. Ich muss in den Pfuhl. Er hielt die
Augen geschlossen und nickte, um anzuzeigen, dass er bereit war.
Er spürte, wie das Pferd zögerte, über die Planken zu gehen, hörte wie Faran es murmelnd ermutigte und antrieb. Füße und Hufe auf Holz. Auf den Planken war kaum Platz genug, dass Mensch und Pferd gleichzeitig darauf stehen konnten. Aber daran durfte er jetzt nicht denken, durfte an nichts anderes denken als an das, was er erreichen musste. Ich muss zu Sebastian. Ich muss in den Pfuhl.
Das Pferd scheute. Koltak öffnete die Augen und hielt sich am Sattel fest, um nicht abgeworfen zu werden. Faran lief ein paar Schritte neben dem Pferd her, bevor er das Tier wieder unter Kontrolle hatte.
»Ruhig, Junge«, sagte Faran. »Ruhig.«
»Was ist geschehen?«, fragte Koltak.
»Etwas hat ihn erschreckt, gerade als wir auf diese Seite der Brücke übergetreten sind, aber ich habe nichts gesehen.« Faran sah sich um. »Das Land sieht hier ein wenig anders aus. Ich glaube, wir sind nicht mehr in der Nähe der Stadt der Zauberer.«
»Nein, das glaube ich auch nicht«, antwortete Koltak.
»Also haben wir das Schild übersehen?«
Er schüttelte den Kopf. »Trotz des Tageslichts ist dies eine dunkle Landschaft. Sie fühlen sich anders an.« Zu gern hätte er gewusst, wo er war. Aber irgendwo in dieser Landschaft musste es eine Brücke geben, die ihn in den Pfuhl bringen würde. Es musste.
»Hier gibt es keine Straßen«, sagte Faran. »Woher werdet Ihr wissen, wohin Ihr Euch wenden müsst?«
Sebastian, Sebastian, Sebastian.
Er nahm die Zügel auf und zog den Kopf des Pferdes ohne einen bewussten Gedanken herum. »Ich werde meinem Herzen folgen müssen.«
»In Ordnung.« Faran trat vom Pferd zurück. »Ich werde Hauptmann Dalton sagen, dass Ihr auf dem Weg seid.
Wir werden auf der anderen Seite der Brücke auf Euch warten.«
Koltak nickte, stieß dem Pferd die Fersen in die Flanken und entfernte sich in einem unruhigen Trab, der schon jetzt versprach, mehr als seinen Stolz zu verletzten.
Es würde bald vorbei sein. Er würde den Rat nicht enttäuschen. Alles was er tun musste, war sich weiterhin darauf zu konzentrieren, zu finden, was er eigentlich nicht finden wollte.
Sebastian, Sebastian, Sebastian.
 
Faran schüttelte den Kopf, als er den Zauberer davonreiten sah. Der Mann war kein Pferdemensch, soviel stand fest. Er hoffte nur, dass der Mann am Ende seiner Reise noch in der Lage sein würde, zu tun, was getan werden musste.
Es gab keinen Grund, hier länger zu verweilen. Und, um die Wahrheit zu sagen, etwas an diesem Ort machte ihn nervös, obwohl nichts in der Umgebung gefährlich wirkte.
Seine Schritte wurden langsamer, als er sich der Brücke näherte.
Aber etwas
hatte
das Pferd erschreckt.
Er wollte sein Kurzschwert ziehen, zögerte dann und griff nach dem langen Messer, das in seinem Stiefel steckte. Als er sich aufrichtete, erhaschten seine Augen eine Bewegung, kaum einen Schritt neben den Planken. Hatte sich der Boden ein Stück gehoben, oder war es nur der Wind, der durch die Gräser strich?
Er näherte sich der Brücke, setzte jeden Fuß vorsichtig auf, nicht in der Lage, das Gefühl abzuschütteln, dass etwas auf ihn wartete.
Nichts regte sich. Nichts bewegte sich.
Leere deinen Geist, dachte er. Geh zurück zu Hauptmann Dalton und deinen Kameraden. Lauf über die
Brücke. Stadt der Zauberer, Stadt der Zauberer, Stadt der Zauberer.
Er drehte sich um und hatte die Brücke direkt vor sich. Hob einen Fuß, um ihn auf die Holzplanken zu setzen. In einem Augenblick würde er in Sicherheit sein.
Es fuhr aus dem Boden und bestand nur aus Beinen und einem riesigen Maul. Eine vertraute Gestalt, wenn sie die Größe eines Daumennagels gehabt hätte, aber jetzt war sie zu einem riesigen Albtraum angewachsen.
Er schrie auf, als die Kreatur ihn packte und ins Bein biss. Er fiel hart auf den Boden, die Beine bereits taub von ihrem Gift, aber er hielt das Messer fest. Bevor dieser Albtraum ihn in den Tunnel hinter der Falltür ziehen konnte, bäumte er sich auf und trieb das Messer mit beiden Händen und all der Kraft, die er noch in den Armen hatte, in den Kopf der Spinne.
Ihre Beine schlugen um sich, und ihre Zähne gruben sich noch tiefer in sein Fleisch, als die Kreatur starb. Dann lag sie still.
Keuchend und schweißüberströmt drehte Faran sich um. Wenn er es schaffte, den Arm auszustrecken, könnte er die Brücke erreichen. Musste die Brücke erreichen. Musste auf die andere Seite. Hilfe wartete auf … der …
 
Lynnea summte eine Melodie, während sie einen Tisch abräumte. Für ihren ersten Arbeitstag hatte sie sich recht gut geschlagen. Gut, sie hatte einen Teil einer Bestellung vergessen, aber das hatte sie wieder wettgemacht, indem sie einen Bullendämon beruhigt hatte, der nach seinem Essen brüllte.
Grinsend fragte sie sich, ob sie es schaffen würde, Sebastian als Erste von der neuen Mahlzeit auf Philos Speisekarte zu erzählen: dem
Sebastian Spezial
. Wer hätte gedacht, dass ein Gemüseomelett einen Dämon beeindrucken könnte?
Sie trug ihr Tablett mit schmutzigem Geschirr zurück
in die Küche und schenkte Brandon ein fröhliches Lächeln. Schließlich war er derjenige, an dem der Abwasch hängen geblieben war. Dann lief sie wieder in den Hof, um noch einen Tisch abzuräumen.
Obwohl der Weltenfresser frei durch die Landschaften zog und es gut möglich war, dass sich schreckliche Dinge im Pfuhl ereignen würden, war sie nie glücklicher gewesen. Sie fand ihre Arbeit interessant, sie war mit einem wundervollen Mann zusammen, der auch noch ein unglaublicher Liebhaber war, und - ihr Blick fiel auf den blonden Mann auf der anderen Straßenseite - sie hatte Freunde gefunden.
Der Pfuhl war nicht ganz der Ort, auf den ihre Wahl gefallen wäre, hätte sie sich eine Landschaft zum Leben aussuchen können, aber hier waren ihr all die Dinge begegnet, nach denen sie sich gesehnt hatte. So hatte er sich letztendlich doch als der richtige Ort für sie entpuppt.
Sie nahm ihr volles Tablett und wartete dann darauf, dass Teaser über die Straße kam, damit sie ihm sagen konnte, dass sie noch ein paar Minuten brauchen würde, bevor sie ins Bordell zurückkehren konnte. Sie hatte Sebastian versprochen, dass sie bei Philo bleiben würde, bis er oder Teaser sie zu ihrem Zimmer zurückbegleiteten.
Das Problem war, dass sie nichts zu tun hatte, wenn sie dort angekommen war. Sie war es nicht gewohnt, Freizeit zu haben, und es erschien ihr wie Verschwendung, dazusitzen und nichts zu machen. Nun ja, sie würde sich einfach Gedanken darüber machen müssen, was für Talente sie besaß und wie sie sie sinnvoll einsetzen könnte. Wenn sie das Zubehör fand, das sie brauchte, könnte sie ein paar Schals stricken. Die Besucher des Pfuhls würden wohl nichts mit solch einfachen Dingen anfangen können, aber die Bewohner wüssten sie vielleicht zu schätzen, wenn es draußen kalt wurde. Wenn es hier überhaupt kalt wurde. Sie würde Teaser fragen, sobald er …
Sie beobachtete, wie eine Frau an Teaser herantrat. Ihre Körpersprache ließ eindeutig auf einen Flirt - oder mehr - schließen.
Lynnea sah, wie er mit der Frau davonging, ohne auch nur einen Blick in ihre Richtung zu werfen.
So hielt man also im Pfuhl seine Versprechen.
Er ist ein Inkubus. Das ist, was er tut. Wahrscheinlich ist es albern von mir, verletzt zu sein, weil er sich entschlossen hat, mit einem möglichen Sexpartner loszuziehen, anstatt ein Versprechen zu halten, das er mir … oder Sebastian gegeben hat.
»Ist es nicht Zeit, dass du gehst?«, fragte Philo und warf ihr einen Blick zu, als sie das Tablett in die Küche brachte. »Ich dachte, Teaser würde dich abholen.«
»Offensichtlich nicht«, antwortete sie gerade bissig genug, damit er sich von seinen Töpfen und Pfannen abwandte, um sie anzusehen.
Sie zuckte mit den Schultern, um zu zeigen, dass es ihr nichts ausmachte. »Es sind noch Gäste gekommen. Ich nehme die Bestellungen entgegen.« Sie verließ die Küche, bevor Philo irgendwelche Fragen stellen konnte.
Sie hatte gerade die Bestellungen aufgeschrieben und war auf dem Rückweg in die Küche, um sie an Philo weiterzugeben, als Teaser, sich schadenfroh die Hände reibend, den Hof betrat.
»Bist du fertig?«, fragte er. »Oder habe ich noch Zeit für eine Schüssel vom Besten, was Philo gerade auf der Speisekarte hat?«
»Hast du dein Geschäft schon erledigt?«, gab sie mit scharfer Stimme zurück.
»Gerade zur rechten Zeit, würde ich sagen. Ich war bei Hastings und hab Karten gespielt, während ich auf dich gewartet habe. Die letzte Runde habe ich gewonnen. Dann habe ich meinen Gewinn eingesammelt und gesagt, ich müsse jetzt weg, um Sebastians Herzensdame abzuholen. Der Bullendämon am Tisch hat nicht einmal
herumgebrüllt, weil ich gegangen bin, bevor er die Möglichkeit hatte, ein paar Münzen zurückzugewinnen. Er hat nur gemurmelt: ›Om … e … lett gut‹ - was auch immer das heißen mag.«

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