Read Sebastian Online

Authors: Anne Bishop

Tags: #Fiction, #Fantasy, #General

Sebastian (42 page)

Lynnea starrte ihn an. »Teaser, ich habe dich gerade gesehen. Du bist mit einer Frau zum Bordell gegangen.«
»Bin ich nicht.« Er sah verwirrt aus, und auch ein wenig verletzt. »Ich habe versprochen, dich abzuholen, und daran habe ich mich gehalten.«
»Aber ich habe dich
gesehen

Er schüttelte den Kopf »Das muss ein anderer gewesen sein.«
»Es gibt noch jemanden im Pfuhl, der genauso aussieht wie du?«
»Ich war es nicht. Obwohl...« Er rieb sich den Nacken. »Hastings hat gesagt, er hätte vor ein paar Tagen in der Taverne gesehen, wie ich mit dem Sukkubusluder rumgemacht habe, aber das ist Pferde … mist, weil er weiß, dass ich sie nicht ausstehen kann.« Er drehte sich um und sah in Richtung des Bordells. »Aber er hat auch gesagt, dass sie seitdem niemand mehr gesehen hat.« Er blickte wieder zu Lynnea. »Na komm. Ich bring dich in euer Zimmer. Dann schau ich mal, was ich über meinen … Zwilling … herausfinden kann, den die Leute gesehen haben.«
»In Ordnung. Ich bringe Philo schnell diese Bestellung; dann kann ich gehen.«
Als sie sich umdrehen wollte, hielt Teaser ihren Arm fest. »Wie sehr sah dieser Kerl mir ähnlich?«
Sie zögerte, weil er verärgert schien. »Nun ja«, wand sie sich, »er war auf der anderen Straßenseite, und er stand nicht direkt unter einer der Laternen, also könnte ich mich getäu -«
»Wenn er hier herübergekommen wäre, wärst du mit ihm mitgegangen?«, fragte Teaser.
Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinunter, als sie
in seine blauen Augen blickte. »Ja«, flüsterte sie. »Ich wäre mit ihm gegangen, in dem Glauben, dass du es bist.« Und wenn der Mann, den sie gesehen hatte, nicht Teaser war, was hätte ihr passieren können, wenn sie das Restaurant erst einmal verlassen hatte? Es gab eine Menge dunkle Gassen, in die man sie hätte zerren und … in denen man ihr hätte wehtun können.
Sie wusste, dass vor ihrer Ankunft im Pfuhl zwei Frauen ermordet worden waren. Sebastian hatte ihr von ihnen erzählt. Das war einer der Gründe, warum er nicht wollte, dass sie alleine herumlief.
»Ich muss Philo diese Bestellung geben«, sagte sie, um sich an etwas Einfachem und Alltäglichem festzuhalten. Sobald Teaser ihren Arm losgelassen hatte, eilte sie in die Küche. Sie musste so verängstigt ausgesehen haben, wie sie sich fühlte, denn sowohl Brandon als auch Philo hörten auf zu arbeiten und starrten sie an.
Sie ignorierte die Blicke, überreichte Philo die Bestellung und sagte ihm, dass sie jetzt gehen müsse.
»Ist Teaser hier?«, fragte Philo.
»Ja.« Aber war sie sich sicher, dass der Mann, der auf sie wartete, auch Teaser war? Sie hatte den Inkubus erst vor ein paar Tagen kennen gelernt. Wie viel wusste sie wirklich von ihm?
Vielleicht sollte sie Teaser sagen, dass sie auf Sebastian warten wolle, auch wenn sie damit seine Gefühle verletzen würde. Aber was, wenn jemand mit Sebastians Gesicht auf sie zukam? Wäre sie in der Lage, den Unterschied zu erkennen?
Ja. Ganz sicher, ja. Sie wusste, wie Sebastian sich anfühlte, wäre in der Lage, ihn auch in einer Gruppe von Männern zu entdecken, die alle sein Gesicht trügen. Weil niemand die Resonanz seines Herzens nachahmen konnte.
Aber da war immer noch die Frage mit Teaser. Gehen oder bleiben? Das Zögern stand ihr wohl ins Gesicht geschrieben,
denn Teaser legte den Kopf schief, als sie auf ihn zukam.
»Wenn ich verspreche, keine nassen Handtücher mehr auf dem Badezimmerfußboden liegen zu lassen, darf ich dich dann zum Bordell begleiten?«
Erleichterung erfasste sie. Niemand außer dem wirklichen Teaser wäre darauf gekommen, ihr so etwas zu sagen. »An das Versprechen werde ich dich erinnern.« Sie hakte sich bei ihm ein, als sie Philos Hof verließen. »Also, wie viel hast du von dem Bullendämon gewonnen?«
Er grinste und entspannte sich - und befragte sie über ihren ersten Arbeitstag bei Philo, anstatt zu antworten.
Ja, so fühlte sich der wirkliche Teaser an. Lächelnd erzählte sie ihm von dem Bullendämon und dem
Sebastian Spezial
, während sie zum Bordell liefen.
 
Sebastian stellte die Füße zu beiden Seiten des Dämonenrads auf den Boden, als es anhielt, nachdem sie die Hauptstraße des Pfuhls zur Hälfte hinuntergefahren waren. Da das Gefährt in der Luft schwebte, musste er das nicht tun, um die Maschine aufrecht zu halten. Er wollte nur sehen, ob seine Beine immer noch bis auf den Boden reichten.
Warum hatte er die letzten Stunden damit verbracht, durch den Pfuhl zu fahren und nach Anzeichen Ausschau zu halten, ob der Weltenfresser einen Weg in eine der dunklen Landschaften gefunden hatte, die an den Pfuhl grenzten? Warum hatte er sich jede Brücke genau angesehen, als könnte er erkennen, was ihn erwarten würde, wenn er sie überquerte?
Teil der Antwort war, dass er Lee versprochen hatte, alles zu tun, was in seiner Macht stand, um den Pfuhl zu beschützen. Der andere Teil war, dass er etwas zu tun brauchte, während Lynnea bei Philo arbeitete. Im Hof herumzulungern, hätte sie nervös gemacht - und vielleicht
zu sehr den Eindruck erweckt, er warte nur darauf, dass die richtige Begleitung auftauchte. Und auf gewisse Weise war es ja auch so, schließlich würde er auf Lynnea warten.
Er verspürte nicht mehr das Verlangen, auf der Suche nach einer Frau durch die Straßen zu ziehen. Hatte es nicht mehr gespürt, seit er sein kleines Häschen getroffen hatte. Allein mit ihr zu leben, stillte den Hunger des Inkubus besser, als der heißeste Sex mit anderen Frauen es je getan hatte. Er sehnte sich nach ihrer Gesellschaft, dem Klang ihrer Stimme, dem Gefühl ihrer Haut unter seinen Händen.
Zusätzlich zu seinem mangelnden Interesse daran, die Liebesträume einer anderen Frau zu erfüllen, glaubte er, dass Lynnea in seiner körperlichen Aufmerksamkeit gegenüber einer anderen Frau nichts anderes sehen würde, als Betrug - die Art von Betrug, die einer Frau das Herz brach. Was könnte er also tun, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, wenn er nicht vorhatte, durch den Pfuhl zu streifen und seinen Körper als Ware feilzubieten?
Er hob eine Hand und rieb mit dem Daumen über seine Fingerspitzen. Er spürte das Prickeln der Magie, die ihn zu einem Zauberer machte. Da das Wort »Zauberer« im Pfuhl verhasst war, hatte er noch niemandem von der Macht erzählt, die in ihm erwacht war. Aber früher oder später würden die Leute es herausfinden. Früher oder später würde er sich entscheiden müssen, was er mit dieser Macht tun wollte.
Was seine Gedanken wieder dazu zurückkehren ließ, warum er die letzten Stunden damit verbracht hatte, die Grenzen des Pfuhls zu erkunden.
Verteidiger, Beschützer. Vor ein paar Wochen hätte er gelacht, hätte jemand diese Worte benutzt, um ihn zu beschreiben. Jetzt veränderte das Bewusstsein, dass er derjenige war, der dem Pfuhl Halt gab, alles. Lynnea veränderte
alles. Dies war seine Landschaft. Dies waren seine Menschen. Sie war seine Frau.
Könnte es ihr wirklich reichen, seine Frau zu sein? Konnte der Pfuhl ihr genug von dem bieten, was sie sich wünschte? Würde es sie glücklich machen, zu bleiben? Auch wenn sie gerade nicht im Cottage wohnen konnten, könnte er sie mitnehmen, um Tante Nadia zu besuchen. In Aurora könnte sie einkaufen, mit Menschen sprechen, deren Lebensweise sie gewohnt war. Ein paar Stunden im Sonnenlicht verbringen. Würde das reichen, damit sie immer wieder zu ihm und der Liebe, die er einer Frau bieten konnte, zurückkehrte?
Aber im Dorf … Wie würde Tante Nadia sie vorstellen? Als eine junge Freundin, die zu Besuch aus einer anderen Landschaft kam? Als die Lebensgefährtin ihres Neffen? Oh, das würde eine Menge bösartiges Gelächter und Getuschel hervorrufen, sobald Lynnea den Leuten den Rücken zukehrte. Aber wie könnte Nadia sie sonst nennen? Seine Frau?
Für einen kurzen Moment beschleunigte sich Sebastians Herzschlag.
Freundin, Geliebte, Lebensgefährtin, Ehefrau.
Nein. Oh nein. »Ehefrau« war ein menschliches Wort und keines, das man im Pfuhl zu oft benutzen sollte. Außerdem ging »Ehefrau« Hand in Hand mit »Heirat«, und das war zu … dauerhaft. Er kannte Lynnea erst seit ein paar Tagen. Seine Sehnsucht nach ihr mochte bald abnehmen, mochte ganz und gar verschwinden. Die Versuchung, sich am Geist und am Körper einer anderen Frau zu laben, konnte jeden Moment wieder auftauchen. Schließlich war er ein Inkubus. Beständigkeit lag nicht in seinem Wesen.
Dann erblickte er sie zusammen mit Teaser auf dem Weg zum Bordell, und er wusste, dass seine Sehnsucht nach ihr nicht abnehmen, nicht verschwinden würde. Dies hier war mehr als Sehnsucht. Es war Liebe. Also
würde er einen Weg finden, ihr zu geben, was sie brauchte, damit sie bereit war, bei ihm zu bleiben.
»Da ist Lynnea«, sagte er.
Das Dämonenrad knurrte etwas, das sich vage glücklich anhörte, und schoss so schnell los, dass Sebastian sicher war, dass er die Hälfte seiner Schuhsohlen eingebüßt hatte, bevor er es schaffte, die Füße zu heben.
»Mach langsam, bevor du jemanden umfährst«, fuhr Sebastian den Dämon an. Nicht, dass sein Befehl irgendetwas geändert hätte. Das Dämonenrad raste um die Ecke und in die Seitenstraße, ohne darauf zu achten, ob vielleicht etwas im Weg stand.
Natürlich war Lynnea bereits hineingegangen, als sie das Gebäude erreichten, was dazu führte, dass er einem schlecht gelaunten Dämon versprechen musste, sie zu fragen, ob sie später eine Runde mitfahren wolle.
Was hatte seine junge Löwin nur an sich, dass Dämonen sich benahmen, als seien sie total vernarrt?
Am besten denkst du nicht zu lange darüber nach, schließlich bist du einer dieser Dämonen
, schalt er sich, als er das Gebäude betrat.
»Ihr solltet ein Auge auf Teaser haben«, rief der Mann am Empfang, als Sebastian auf die Treppe zulief. »Eure Dame ist bereits die zweite, die er in der letzten Stunde hierher gebracht hat.«
Er hielt inne. »Hoch zu unseren Zimmern?«
Der Mann schüttelte den Kopf und nannte eine Zimmernummer im zweiten Stock.
Sebastian flog, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf. Tageslicht! Was hatte Teaser vor? Warum sollte er Lynnea mit auf eines der Zimmer nehmen, die Inkuben oder Sukkuben für eine »Nacht« der Lust mieteten, wenn sie ihre Beute nicht mit nach Hause nehmen wollten? Er hatte Teaser damit betraut, sich um Lynnea zu kümmern, weil sie schon so lange Freunde waren - und weil er das Gefühl gehabt hatte,
dass Teaser, obwohl er sich zu Lynnea hingezogen fühlte, sie nicht als Beute betrachtete.
Er sprang die letzten Stufen hinauf und rannte gerade noch rechtzeitig um die Ecke in den Flur, um zu sehen, wie Teaser von einer offenen Tür zurückwich. »Das bin ich nicht«, sagte Teaser, als er gegenüber der Tür an die Wand stieß und zu Boden glitt. »Das bin ich nicht!«
Lynnea fiel auf die Knie und schlang ihre Arme um Teaser, dessen Stimme hysterisch klang.
Sebastian wusste nicht, ob sie ihn gehört oder nur gespürt hatte, aber sie wandte den Kopf und sah ihn an, die Augen voller Sorge und Erleichterung.
Er lief zur Tür, trat in den Raum - und erstarrte.
Die Frau auf dem Bett war so gefangen im Nebel der Lust, dass sie nichts anderes mehr wahrnahm. Ihre Hände waren in die Laken gekrallt, und ihre Hüften bewegten sich mit der Verzweiflung einer Frau, deren Höhepunkt stets gerade außer Reichweite gehalten wird, aber sie atmete erschreckend schwer, und ihr Blick war be ängstigend ausdruckslos.
Der Mann, der auf ihr lag, war so sehr damit beschäftigt, heftig in sie einzudringen, dass er entweder nicht bemerkte, dass er Publikum hatte, oder es war ihm völlig egal.
Der Atem der Frau ging immer schwerer, aber ihre Hüften bewegten sich noch immer mit der gleichen Verzweiflung.
Rette die Frau. Hol den Bastard von ihr herunter.
Aber als er noch einen Schritt nach vorne trat, drehte der Mann sich um und sah ihn an.
Teasers Gesicht. Aber das Lächeln war hart und grausam, und in den Augen lag eine Bösartigkeit, die er bei seinem Freund noch nie gesehen hatte - nicht einmal, wenn Teaser wirklich wütend war.
Der Mann machte weiter, hart und schnell, die letzten Stöße vor dem Höhepunkt. Die Frau stöhnte, aber es war
unmöglich zu sagen, ob als Reaktion auf den Schmerz oder aus Lust.
Als Sebastian den wilden, moschusartigen Duft einatmete, der den Raum erfüllte, erwachte die Macht der Inkuben in ihm, ein scharfer Hunger, angestachelt durch das andere männliche Wesen.
Ja. Sie nehmen. Sie war nur ein Mensch, nur Beute. Die Lust mehren, bis sie unerträglich wurde und sich dann an der Flut der Gefühle laben, während man mit dem Körper spielte, bis der Geist zu hilflos war, um etwas anderes zu tun, als zu reagieren und das Festmahl noch zu vergrößern. Sich befriedigen, befriedigen, bis die Beute nicht länger in der Lage war, um ihr Leben zu kämpfen.
Mit Lust töten.
Ein letzter Stoß. Die Frau schrie auf - ein keuchender, ungesunder Klang, als wäre etwas in ihr zerbrochen. Der Mann mit Teasers Gesicht schloss die Augen und seufzte vor Vergnügen.
Sebastians Herz schlug heftig. Er war heiß, hart - und dieser verzweifelte Hunger, den er so noch nie gefühlt hatte, machte ihn krank.
Dann hörte er Lynneas Stimme, nur ein gemurmeltes Wort des Trosts für Teaser, und er schnappte nach Luft, fühlte sich, als wäre er beinahe an einen dunklen, absto ßenden Ort gezogen worden. Er hatte nie so gejagt, verspürte nicht das Verlangen, so zu jagen.
Aber in einer dunklen Ecke seines Herzens erkannte er die Macht, die dieser Art der Jagd innewohnte, verstand das grausame Vergnügen. Und er erkannte, dass er ohne Nadia, Glorianna und Lee vielleicht ein Jäger geworden wäre wie der, der sich gerade vom Bett rollte.
Der Mann trat in die Mitte des Raumes. Er trug Teasers Gesicht, aber nicht seine Augen. In diesen Augen lag nichts von Teaser.
»Verweichlichte Brut«, sagte der Mann mit einem höhnischen Lachen. »Verwöhnter Mischling, der seine Tricks
für ein paar jämmerliche Emotionen einsetzt. Wir sind verhungert, gefangen in dieser Landschaft, während diejenigen, die von uns vertrieben worden waren, weil sie sich mit Gefühlen befleckt hatten, überlebten, indem sie sich in den menschlichen Landschaften versteckten. Sie
paarten
sich mit
Beute
und haben Kreaturen wie
dich
gezeugt.«

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