Read Sebastian Online

Authors: Anne Bishop

Tags: #Fiction, #Fantasy, #General

Sebastian (40 page)

Aber als die Straße eine Kurve gemacht hatte, war da keine Spur des ausgefahrenen Pfades gewesen. In dem Glauben, dass seine Erinnerung ihn täuschte, waren er und die Wachen, die Harland ihm mitgegeben hatte, weiter die Hauptstraße entlanggeritten.
Immer weiter. Zu lange. Zu weit. Die Wachen hielten sich respektvoll zurück, obwohl sie unter sich leise miteinander tuschelten. Und so konnte er seine Zweifel nicht äußern, konnte es sich nicht leisten, zuzugeben, dass er nicht länger mit Sicherheit wusste, wo sie waren.
Harland hatte ihn mit dieser Aufgabe betraut. Er allein hatte die Mittel, Belladonna dazu zu bringen, sich zu offenbaren, so dass der Rat der Zauberer sich mit ihr befassen
konnte. Er würde Harland oder den Rat nicht enttäuschen, nicht, wenn Harland ihm als Anerkennung seiner Leistung einen Sitz im Rat versprochen hatte.
Eine Tat, um einen Fehler ungeschehen zu machen, den er vor dreißig Jahren begangen hatte. Eine Tat, die das vollendete Gegenstück der anderen war.
»Zauberer Koltak.« Dalton, der Hauptmann der Wache, lenkte sein Pferd neben Koltaks. »Seid Ihr sicher, dass dies der Weg in die Landschaft ist, die Ihr erreichen müsst?«
»Warum fragt Ihr?«, fragte Koltak ausweichend.
»Er erscheint mir bekannt, und das beunruhigt mich.« Dalton blickte nach oben, obwohl die Bäume, die sich dicht an der Straße drängten, die Sonne verdeckten. »Und ich glaube nicht, dass wir uns noch nach Süden bewegen.«
Bevor sich Koltak eine ausweichende Antwort ausdenken konnte, hob ein Späher, der vorausgeritten war, einen Arm und rief etwas, um auf sich aufmerksam zu machen.
Dalton trieb sein Pferd zum Galopp und ritt auf die Wache zu. Koltaks Pferd lief hinterher und ließ dem Zauberer keine Wahl, als sich am Sattel festzuhalten, da ihm das Können fehlte, das Tier im Zaum zu halten.
Es war ein Jammer, dass Harland die Details dieser Aufgabe so genau durchdacht und Koltak bei seinem Wunsch, bequem in einer Kutsche zu reisen, überstimmt hatte. Pferd und Reiter ließen die Mär von Dringlichkeit glaubwürdiger erscheinen, als eine Kutsche mit Fahrer.
Er erkannte die Logik, die darin lag, aber das ließ seinen Körper nicht weniger schmerzen.
Als seine Kameraden in Sichtweite waren, fiel das Pferd in Schritt und erlaubte es Koltak, die Zügel aufzunehmen und den Anschein zu erwecken, er hätte das Sagen.
Dalton starrte den riesigen Stein an, der wie ein Wachposten
an einer Stelle stand, an der zwei Wege aufeinander trafen, dann fluchte er leise.
Als Koltak den Stein erblickte, wurde ihm übel.
»Also«, sagte Dalton, als der Zauberer ihn erreichte, »heute können wir nichts mehr tun. Wir brechen morgen im ersten Licht auf und hoffen auf Glück auf der Straße.«
Auf Daltons Signal hin bewegten sich zwei der Wachen die Straße nach Osten hinunter. Der Hauptmann sah Koltak an, schüttelte den Kopf und folgte dann seinen Männern.
Das stechende Gefühl, versagt zu haben, erhitzte sein Gesicht, als Koltak Dalton folgte.
Die Straße, die den Eindruck erweckt hatte, immer länger zu werden, verkürzte sich nun auf widernatürliche Weise. Viel zu schnell ritten sie unter den Bäumen hervor und blickten auf das offene Land - und auf den steilen Abhang im Norden der Stadt der Zauberer.
»Das kann nicht sein«, murmelte Koltak. »Das kann nicht sein. Wir sind nach Süden geritten. Wir können nicht auf der Nordseite der Stadt ankommen.«
»Manchmal ist Ephemera so pervers wie ein unzüchtiges Weib«, sagte Dalton. Er seufzte laut. »Wir werden eine andere Straße mit einer Brücke finden müssen, die in eine neue Landschaft führt.«
»Aber die Straße nach Süden war der Weg in die Landschaft, die ich erreichen muss!«, protestierte Koltak.
Dalton sah verärgert aus, aber dann glättete sich seine Miene, als ob er sich plötzlich daran erinnerte, dass er es mit einem Zauberer zu tun hatte. »Es führt kein Weg daran vorbei, Zauberer Koltak. Im Moment führt die Straße nach Süden einfach im Kreis zurück zur Stadt. Wir werden es morgen noch einmal versuchen. Vielleicht querfeldein, und sehen, ob wir eine andere Brücke finden können. Oft wird eine Brücke zwischen zwei Landschaften nicht an einem offensichtlichen Ort errichtet, vor allem, wenn es eine Resonanzbrücke ist.«
Koltak wartete, bis sie das nördliche Tor der Stadt erreichten, bevor er das Thema anschnitt, das ihm immer schwerer auf der Seele lag, je näher die Stadt vor ihnen aufragte.
»Vielleicht wäre es besser, wenn ich heute Nacht im Wachhaus bliebe«, sagte der Zauberer und hielt seinen Blick fest auf die Lücke zwischen den Ohren seines Pferdes gerichtet. »Es würde Zeit sparen, wenn wir im ersten Licht wieder aufbrechen wollen.«
Dalton schwieg einen Moment, dann nickte er. »Das wäre in der Tat günstiger. Es wäre sogar das Beste, wenn Ihr in einem der Wachhäuser im äußeren Ring der Stadt bleiben würdet. Die Unterbringung ist vielleicht etwas unbequemer, als Ihr es gewohnt seid, und wir werden uns wahrscheinlich ein Quartier teilen müssen, aber Ihr solltet ein Bett für Euch alleine bekommen.«
Koltak schauderte bei dem Gedanken, mit einer solch unbequemen Unterkunft zurechtkommen zu müssen, wenn er seinen eigenen komfortablen Räumlichkeiten so nahe war, nickte aber zustimmend. Dann warf er Dalton einen Blick zu und fragte sich, ob der Gesichtsausdruck des Mannes nicht ein wenig zu nichtssagend war. Hatte der Hauptmann den wahren Grund erkannt, aus dem er nicht zur Halle der Zauberer hinaufgehen wollte? Hatte er deshalb vorgeschlagen, im unteren Kreis zu bleiben?
Wenn er in seine eigenen Räume zurückkehrte, würde Harland auf jeden Fall erfahren, dass er bei seinem ersten Versuch, Sebastian zu erreichen, gescheitert war. Wenn er im äußeren Kreis blieb, merkte der Vorsitzende des Rates der Zauberer vielleicht nicht, dass er in die Stadt zurückgekehrt war.
Besser, eine unbequeme Unterbringung zu ertragen, als mit anzusehen, wie seine ehrgeizigen Hoffnungen wieder zu Staub zerfielen.
Ja, dachte er, als sie durch den unteren Kreis ritten,
körperliches Unbehagen könnte er wesentlich leichter ertragen als Versagen.
 
»Ich werde jeden Tag ein paar Stunden bei Philo als Bedienung arbeiten«, sagte Lynnea glücklich. »Philo hat gesagt, dass ich auch helfen könnte, wenn er schon Brandon ausbildet.«
»Du wirst bedienen?«, fragte Sebastian, erschrocken über diese Offenbarung.
»Das werde ich. Als Gegenleistung für meine Mahlzeiten.«
»Das musst du nicht tun.«
»Natürlich muss ich. Ich habe dich gehört, als du mit den Jungen gesprochen hast, und ich bin derselben Meinung. Besucher kommen wegen des Alkohols oder der Glücksspiele und der … anderen Dinge … und sie bezahlen für diese Dinge mit Geld oder Waren, die getauscht werden können. Aber diejenigen, die im Pfuhl leben, müssen sich ihren Lebensunterhalt verdienen.«
Während er sich fragte, ob sie sich bewusst war, dass sie ihre verschränkten Hände vor- und zurückschaukeln ließ, wie ein glückliches Kind, schluckte er die Bemerkung, sie lebe nicht im Pfuhl, herunter. Er wollte nicht, dass sie sich einlebte und sich ein Zuhause aufbaute. Es wäre schwerer für sie, zu gehen und die Landschaft zu finden, in die sie wirklich gehörte, wenn sie begann, von sich selbst als einer Bewohnerin des Pfuhls zu denken.
Und je mehr sie den Anschein erweckte, dass sie sich hier einlebte, desto leichter wurde es für ihn, zu glauben, dass sie vorhatte, zu bleiben, nicht nur im Pfuhl, sondern bei ihm. Und umso stärker würde sein Herz bluten, wenn sie erkannte, dass sie nicht für diese ständige Nacht geschaffen war und ihn verließ.
»Also werde ich Mahlzeiten servieren und beim Abrechnen und Saubermachen helfen, und …« Lynnea hielt
inne. »Wenn Philo rot wird, wenn er Phallische Köstlichkeiten serviert, warum macht er sie dann?«
In den fünfzehn Jahren, in denen er im Pfuhl lebte, hatte er noch nicht einmal gesehen, dass Philo rot wurde, aber er dachte nicht, dass es hilfreich wäre, ihr zu erzählen, dass es das Überreichen des Korbes an seine neue Helferin war und nicht sein Inhalt, der ihn erröten ließ.
»Dann hat Brandon gekichert und gesagt, wenn Männer wirklich so gebaut wären, würden Frauen an nichts anderes als an Sex denken.«
»Brandon redet zu viel«, knurrte Sebastian.
Sie lachte.
Tageslicht! Sie würde Phallische Köstlichkeiten und Titten Surprise in einem Hof voller erotischer Statuen servieren. Wenn dieses Bewusstsein erst einmal in ihre Träume gesickert war, würde sie ihn in den absoluten Wahnsinn treiben.
Als sie beim Bordell ankamen, hatte ihre Laune sich verändert; sie war still geworden, nachdenklich. Sie sagte nichts, als er die Tür zu ihrem Zimmer aufschloss, ging einfach hinein und entzündete die Öllampe auf dem Tisch am Fenster. Dann nahm sie ihr Nachthemd, das sie jeden Morgen ordentlich zusammenlegte und unter ihr Kopfkissen steckte, und ging ins Bad.
Er atmete laut aus, verschloss die Tür und fragte sich, was er mit sich anstellen sollte, bis es an der Zeit war, zu versuchen, zu schlafen.
Dann kam sie aus dem Bad und zögerte einen Moment, bevor sie auf ihn zulief.
»Sebastian.«
Er sah sie an, und die Mischung aus Zögern und Entschlossenheit in ihrer Stimme reichte aus, um die Macht der Inkuben in ihm zu wecken.
»Sebastian, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, weiß nicht, wie ich dich fragen soll …«
»Wie du mich was fragen sollst?«
»Ich will mit dir zusammen sein. Im Bett.«
Es würde die Dinge auf eine Art ändern, die niemals mehr ungeschehen gemacht werden könnte
. Dieser Gedanke tauchte in ihm auf, aber als er sah, wie sich in ihrem Blick Nervosität mit Verlangen mischte, konnte er sich nicht wirklich daran erinnern, warum das eine Rolle spielen sollte. Sie war nicht länger ein Häschen, aber noch nicht ganz eine Löwin. Lynnea war eine Frau. Seine Frau.
Er war zu hungrig, brauchte die Verführung und das Festmahl zu sehr, um sich von dem abzuwenden, was sie anbot.
Aber als seine Lippen ihre berührten, brannte noch etwas anderes in ihm als das Verlangen eines Inkubus, etwas Helles und Mächtiges. Während sein Mund sie sanft kostete und seine Hände sie zärtlich erforschten, mäßigte diese strahlende Macht seinen Hunger, und in seinem Innersten stieg etwas auf, das er noch nie zuvor gefühlt hatte, etwas, nach dem er sich immer gesehnt hatte und für das er keinen Namen kannte.
Dann trug er sie ins Bett, endlich ins Bett. Und während er ihr zeigte, wie lustvoll Sex sein konnte, lehrte sie ihn die Geheimnisse der Liebe.
Kapitel Sechzehn
Lynnea warf einen Blick auf die geschlossene Badezimmertür, während sie sich die Schuhe zuband. Sebastian hatte über ihr Zögern, sich vor ihm anzuziehen, gelacht. Schließlich, so hatte er betont, hatte er sie bereits nackt gesehen - und sie ihn. Aber sich ihre Unterwäsche anzuziehen, während er sich auf dem zerwühlten Bett zurücklehnte und die Decke kaum seine spannendsten Körperteile bedeckte, war mehr, als die neu entdeckte Löwin in ihr ertragen konnte. Also hatte sie ihre Sachen geschnappt und war ins Badezimmer gehuscht, um sich dort anzuziehen.
Sie hatte erwartet, ihn angezogen vorzufinden, als sie aus dem Bad kam. So hatten sie es schließlich immer gehalten, seit sie das Zimmer im Bordell miteinander teilten. Deshalb war sie überrascht, dass er ausgestreckt auf dem Bett lag, noch immer nackt und zerzaust. Und er sah so sehr zum Anbeißen aus, dass sie den Wunsch verspürte, mit der Zunge über seine Haut zu fahren, nur weil sie ihn noch einmal schmecken wollte.
Was auch immer er in ihrem Gesicht gesehen hatte, brachte ihn zum Lächeln, und er schob die Decke zurück, sammelte seine Kleider ein … und ging ins Badezimmer. Der Blick, den er ihr zuwarf, bevor er die Tür schloss, weckte in ihr das Verlangen, ihn zu schlagen - oder ihn zurück ins Bett zu zerren.
»Haben die Hände nichts zu tun, hat der Kopf Zeit für Dummheiten«, murmelte sie, als sie sich im Raum nach einer Beschäftigung umsah. Sie betrachtete das Bett, zögerte,
straffte aber dann die Schultern. Es war nur ein Bett. Es war jetzt nicht anders als vorher, als sie nur nebeneinander darin geschlafen hatten.
Aber es war doch anders. Als sie das Laken glatt strich, erinnerte sie sich an das Gefühl seiner Hände auf ihrem Körper und daran, wie sich seine Haut unter ihrer Berührung erwärmt hatte. Das köstliche Ziehen im Bauch, wenn er an ihren Brüsten saugte. Wie er sie mit den Fingern liebkost hatte, bis sie in Gefühlen ertrank, und es ihr egal war, ob sie jemals wieder daraus auftauchen würde.
Die Vereinigung hatte auch wehgetan, und das hatte das Vergnügen ein wenig geschmälert - bis sie eingeschlafen war und begonnen hatte, zu träumen.
Das Bordell, das Zimmer, das Bett - und Sebastian. Dieses Mal beschränkten sich die Träume nicht auf Umarmungen und innige Küsse. Dieses Mal schienen sie intensiver und … wirklicher. Er war wirklicher, als er es jemals in den anderen Träumen gewesen war. Er hatte die gleichen Dinge mit ihr getan wie zuvor, aber jetzt wusste sie, wie sich ein Mann anfühlte, wenn er hart und hungrig war. Und anstelle des Schmerzes, als sein Körper mit ihrem verschmolz, fühlte sie Lust - Wellen, die immer höher schlugen, brachen und sich zurückzogen, und sich wieder aufbäumten, als sie in den nächsten Traum hinüberglitt. Sebastian und sie taten darin Dinge, über die sie jetzt nicht einmal nachdenken konnte, ohne rot zu werden.

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