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Authors: Robert Graysmith

Tags: #True Crime, #Murder, #Serial Killers

Zodiac (21 page)

In dem Zodiac-Brief vom 9. November, dem siebten Brief des Mörders, schickte er eine siebenseitige Schmähschrift an den
Chronicle
. Der vollständige Text war bisher nie veröffentlicht worden. Toschi und Armstrong machten sich Notizen, während sie die Botschaft des Killers lasen.

 

Hier spricht der Zodiac
bis Ende Oct habe ich 7 Menschen
getötet. Ich bin schon ziemlich sauer
auf die Polizei weil sie dauernd
irgendwelche Lügen über mich erzählt.
Also werde ich beim Sammeln von Sklaven
ab jetzt etwas anders vorgehen. Meine
Morde werden in Zukunft wie ganz normale
Raubüberfälle oder Affektmorde
aussehen, vielleicht werden auch
ein paar eingefädelte »Unfälle« passieren etc.
Die Polizei wird mich nie erwischen,
weil ich einfach zu schlau für sie bin.
1 Ich sehe so aus wie der Mann
auf dem Phantombild - aber nur
wenn ich aktiv bin, in der übrigen Zeit
sehe ich ganz anders aus. Ich
werde euch nicht verraten, wie ich mich
verkleite, wenn ich töte
2 Bis jetzt habe ich nie Fingerabdrücke
hinterlassen auch wenn die Polizei
etwas anderes behauptet
beim Töten habe ich eine durchsichtige
Schutzschicht auf den Fingerspitzen.
Sie besteht aus Flugzeugkleber -
unsichtbar & sehr wirkungsvoll.
3 Meine Mordwerkzeuge habe ich
mir zusenden lassen, bevor das Verbot
in Kraft getreten ist.

 

(Der Federal Gun Control Act von 1968 verbot den Versand von Waffen und Munition sowie den Ladenverkauf an Einwohner anderer Bundesstaaten, psychisch gestörten Personen und verurteilten Verbrechern.)

 

Nur eine einzige Waffe habe ich danach gekauft
& das in einem anderen Bundesstaat.
Sie sehen, die Polizei hat nicht viel, von
dem sie ausgehen kann. Falls Sie sich fragen,
warum ich das Taxi abgewischt habe -
ich habe falsche Spuren hinterlassen,
damit die Bullen ein bisschen was zu tun
bekommen. Es macht Spaß, die blauen Schweine
ein bisschen zu ärgern. Hey blaues Schwein ich
war wirklich im Park - ihr habt Feuerwehrautos
eingesetzt, um den Lärm eurer Streifenwagen
zu übertönen. Die Hunde kamen nie näher als
bis auf 2 Blocks an mich heran & sie waren
im Westen & es gab nur 2 Gruppen von geparkten
Fahrzeugen ungefähr 10 min auseinander & die
Motorräder sind in etwa 50 Meter Entfernung
vorbeigefahren, von Süd nach Nordwesten.
p. s. 2 Bullen haben Mist gebaut, ungefähr 3
min nachdem ich aus dem Taxi ausgestiegen war.
Ich ging gerade den Hügel hinunter zum Park,
als ein Streifenwagen anhielt & einer der Cops
mich fragte, ob ich in den letzten 5 bis 10 min
jemanden gesehen hätte, der sich irgendwie
auffällig benommen hat & ich sagte, ja, da war so
ein Mann, der mit einer Pistole in der Hand
herumlief & die Bullen gaben Gas und brausten in die
Richtung, die ich ihnen angab & ich ging in den
Park & verschwand auf Nimmerwiedersehen. 
Hey, du Schwein, ärgerst du dich nicht grün und blau,
dass du deinen Schnitzer unter die Nase gerieben
bekommst?
Wenn ihr Bullen wirklich glaubt, dass ich
einen Bus so überfalle, wie ich es beschrieben habe,
dann habt ihr eine Kugel in den Kopf verdient.
Man nehme einen Sack Kunstdünger
& ein paar Liter Heizöl & lege ein paar Säcke Kies
oben drauf & dann lasse man das Zeug hochgehen &
alles was irgendwie im Weg ist wird regelrecht
durchsiebt.
Die Todesmaschine ist schon fertig. Ich hätte
euch gern ein Bild davon geschickt aber ihr wärt sicher
so gemein & würdet nachforschen wo die Bilder
entwickelt wurden, um mich zu schnappen, also
werde ich euch mein Meisterwerk lieber beschreiben.
Das Schönste daran ist dass man alle Bestandteile
überall kaufen kann, ohne dass jemand lästige
Fragen stellt.
1 bat. betriebene Uhr - die läuft
ungefähr ein Jahr
1 photoelektrischer Schalter
2 Kupferblattfedern
26 V Autobatt.
1 Taschenlampenglühbirne & Reflektor
1 Spiegel
2 Pappröhren innen und außen
mit Schuhcreme geschwärzt

 

Auf der fünften Seite hatte der Mörder eine schematische Darstellung der Bombe gezeichnet. Sie war so eingestellt, dass sie einfache PKWs passieren ließ und erst hochging, wenn ein Bus vorbeikam.

 

ich habe das System getestet & es funktioniert
hundertprozentig. Was ihr nicht wisst, ist, ob
die Todesmaschine schon irgendwo lauert oder
ob ich sie noch in meinem Keller liegen
habe, um sie später irgendwann einzusetzen.

 

Wenn Zodiac tatsächlich einen Keller hatte, um eine solche Bombe zu basteln, so bedeutete das wohl, dass er ein eigenes Haus besaß und nicht in einer Wohnung lebte. Das schränkte die Zahl der infrage kommenden Häuser schon einmal ein, denn einen Keller hat in der Bay Area durchaus nicht jeder.

 

Ich glaube nicht, dass ihr genug Leute habt
um die Sache zu verhindern, indem ihr
die Straßen regelmäßig absucht, um dieses
Ding aufzuspüren & es wird euch auch
nichts nützen, die Busse umzuleuten [umzuleiten]
& die Abfahrtszeiten zu ändern weil
die Bombe an veränderte Bedingungen
angepasst werden kann.
Viel Spaß!! Übrigens
es könnte ziemlich blutig enden
wenn ihr versucht, mich zu bluffen.

 

Ganz unten auf der Seite hatte Zodiac einen großen Kreis mit Kreuz gezeichnet, mit fünf X-Markierungen in der linken Hälfte. War das etwa eine symbolische Landkarte, die den Weg zu den verschiedenen Zodiac-Tatorten angab, oder vielleicht sogar den Weg zu seinem Haus? Die Polizei kam zu dem Schluss, dass es sich höchstwahrscheinlich um einen Kalender handelte, auf dem die Daten der sieben Morde eingetragen waren.

 

PS. Vergesst nicht,
den Teil auf Seite 3,
den ich markiert habe, abzudrucken
[dass ihn der Cop nach dem Mörder gefragt hat]
sonst trete ich gleich wieder
in Aktion
Als Beweis, dass ich der Zodiac bin,
fragt den Cop aus Vallejo nach dem
elektrischen Visier, das ich benutzt habe,
um mit meiner Sklavensammlung zu
beginnen.

 

»Ruft bei der Army an«, wies Lee seine Leute an, nachdem sie den Brief gelesen hatten, »und fragt, ob es tatsächlich möglich ist, ein solches Ding zu basteln.«

»Und ob das möglich ist«, antwortete der Bombenexperte der Army.

Später gab Polizeichef Al Nelder die Weisung aus, die Sache mit der Bombe geheim zu halten. In Absprache mit der Polizei verzichtete der
Chronicle
darauf, irgendeinen Abschnitt des Briefes zu drucken, in dem von der Bombe die Rede war.

Die Angst vor einem eventuellen Anschlag auf einen Schulbus wuchs unterdessen.

 

Dienstag, 11. November 1969

 

Die Polizei schloss nun offiziell die Möglichkeit aus, dass Zodiac die beiden Mädchen aus San Jose ermordet haben könnte. Man ging davon aus, dass das übersteigerte Ego dieses Mannes es ihm niemals erlauben würde, zu töten, ohne damit zu prahlen.

»In den Medien«, sagte Marty Lee, »wird Zodiac als geisteskranker Killer dargestellt. Ich glaube aber, dass er vor dem Gesetz zurechnungsfähig ist. Er hat bei seiner Flucht vor der Polizei eine beachtliche Intelligenz bewiesen. Ich stelle ihn mir nicht als einen Mann vor, der mit seinen Händen arbeitet. Ich glaube vielmehr, dass er einen Job hat, bei dem er mit dem Kopf arbeitet; die Geheimtexte sind richtige Kunstwerke. Im Übrigen glaube ich auch, dass er sich immer noch hier in der Bay Area aufhält.«

 

Samstag, 27. Dezember 1969

 

Melvin Belli nahm in München an einer Konferenz von Militäranwälten teil, deshalb schickte die Haushälterin seine Post an sein Büro weiter, wo sie von seiner Sekretärin geöffnet wurde. Ein Brief war mit einem Poststempel vom 20. Dezember versehen, kam jedoch aufgrund der Fülle der Weihnachtspost mit etwas Verspätung an. Es bestand kein Zweifel, von wem der Brief stammte. Er steckte sauber zusammengefaltet in einem weißen Umschlag und enthielt ein weiteres Stück von Paul Stines blutbeflecktem Hemd.

Der Brief war mit Filzstift und mit einer kleineren Handschrift geschrieben als der letzte Brief; wie üblich enthielt er eine ganze Reihe von Interpunktions- und Rechtschreibfehlern.

Einer von Bellis Partnern flog nach München, um ihm Fotografien des Briefes, des Umschlags und des blutigen Stofffetzens zu zeigen. Auch eine Karte mit der Aufschrift »Merry Xmass and New Year« hatte der Mörder beigelegt. Seine Botschaft hatte folgenden Wortlaut:

 

Lieber Melvin, Hier spricht der Zodiac
Ich wünsche Ihnen frohe Weinachten.
Ich möchte Sie um eine Sache ersuchen - dass
Sie mir helfen. Ich kann nicht selbst irgendwo
Hilfe in Anspruch nehmen weil etwas in mir
es nicht zulässt.
Es ist extrem schwer, es unter Kontrolle
zu halten Ich fürchte ich werde mich nicht
mehr lange beherrschen können und mir ein
neuntes & auch zehntes Opfer suchen müssen. Bitte
helfen Sie mir ich ertrinke.
Im Moment sind die Kinder vor der Bombe in
Sicherheit weil es nicht leicht ist das Ding zu vergraben & der Zündmechanismus viel Arbeit braucht um
ihn richtig einzustellen. Aber wenn ich zu lange
auf Nr. neun verzichte, drehe ich wahrscheinlich
bald durch und lasse die Bombe hochgehen.
Bitte helfen Sie mir ich habe mich nicht mehr
lange unter Kontrolle.

 

Zodiac deutete also an, dass er seit seinen Briefen vom 8. und 9. November einen achten Mord begangen hatte. Es gab nur zwei mögliche Opfer, die infrage kamen: Elaine Davis und Leona Larell Roberts.

Elaine Davis war am 1. Dezember 1969, einem Montag, verschwunden und seither nicht mehr gesehen worden.

Leona Roberts verschwand am 10. Dezember 1969, einem Mittwoch, um 18 Uhr. Die Leiche des sechzehn Jahre alten Mädchens wurde am 28. Dezember nackt auf einem Straßendamm in der Nähe der Bolinas Lagoon gefunden. Sie hatte nach ihrer Entführung aus der Wohnung ihres Freundes in Rodeo noch zehn Tage gelebt. Ihre Kleider wurden nicht gefunden, und sie war nicht sexuell missbraucht worden. Das Wichtigste aber war, dass sie in der Nähe eines Gewässers gefunden worden war, so wie alle anderen Opfer des Zodiac. Der Mörder hatte den Schlüssel ihres VWs an sich genommen.

Interessant war, dass Zodiac in seinem Brief die Wendung »a happy Christmas« verwendet hatte, die eher in Großbritannien und Kanada gebräuchlich war als in den USA. Der Mörder sprach außerdem davon, dass er »kiddies« aufs Korn nehmen würde, was ebenfalls ein Slang-Ausdruck aus Großbritannien oder Australien war. Konnte es sein, dass der Zodiac-Killer Brite war?

Belli war durchaus zu einem geheimen Treffen mit dem Serienmörder bereit - wann und wo immer es diesem beliebte. Er ließ ihm über den
Chronicle
ausrichten: »Sie haben mich um Hilfe ersucht, und ich verspreche Ihnen, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um Ihnen jedwede Hilfe zu verschaffen, die Sie brauchen.

Wenn Sie unter vier Augen mit mir sprechen möchten, dann komme ich allein. Wenn Sie wollen, dass ich einen Geistlichen, einen Psychiater oder einen Reporter mitbringe, dann mache ich das. Ich mache alles so, wie Sie es haben möchten. Sie schreiben, dass Sie bald die Kontrolle über sich selbst verlieren und wieder töten könnten. Machen Sie nicht alles noch schlimmer. Lassen Sie mich Ihnen jetzt sofort helfen.«

Den Journalisten teilte Belli mit: »Ich glaube, dass er mit dem Töten aufhören will. Ich habe seinen Brief genau studiert, und ich habe das Gefühl, dass er ihn in einem Moment geschrieben hat, in dem er ganz ruhig und sachlich über seine Zukunft nachgedacht hat. Er weiß, dass er irgendwann gefasst werden wird und dass er ohne entsprechende rechtliche Unterstützung höchstwahrscheinlich zum Tod in der Gaskammer verurteilt werden wird. Deshalb dieser Hilferuf von ihm. Warum er sich an mich gewandt hat? Er will nicht in der Gaskammer enden.«

In einem Telefonanruf hatte sich ein Mann, der behauptete, Zodiac zu sein, so gut mit Bellis Haushälterin verstanden, dass der Anwalt fast erwartete, ihn in seinem Wohnzimmer vorzufinden, wenn er nach Hause kam. »Ich glaube, wir können etwas für ihn tun. Wir könnten den Kerl erwischen und damit Menschenleben retten, unter anderem auch das seine.«

Der Mörder antwortete nie auf Bellis Angebot. Es vergingen mehrere Monate, bis sich der Serienkiller wieder an Belli wandte.

 

8

 

Joseph DeLouise

 

Sonntag, 4. Januar 1970

 

Joseph DeLouise, ein Mensch mit medialen Fähigkeiten, behauptete, bereits seit etwa einem Monat telepathische Botschaften von Zodiac zu empfangen. Er gewann daraus den Eindruck, dass der Killer des Mordens überdrüssig sei und nur noch nach einem sicheren Weg suche, sich der Polizei zu stellen. Das Interessanteste aber war, dass DeLouise vor seinem geistigen Auge das wahre Gesicht des Zodiac zu sehen glaubte.

DeLouise hatte zwei Jahre zuvor Berühmtheit erlangt, als er vorhersagte, dass der Kennedy-Clan erneut von einem tragischen Ereignis heimgesucht würde und dass das Ganze mit einem Gewässer zu tun habe. Zwei Monate danach stürzte der Wagen von Senator Edward Kennedy auf der Insel Chappaquiddick von einer Brücke in einen Fluss. Seine Sekretärin Mary Jo Kopechne, die ebenfalls im Wagen saß, ertrank bei dem Unfall.

Der dunkelhaarige, schlanke Mann mit dem ernsten, fast satanisch wirkenden Gesicht war dreiundvierzig Jahre alt und betrieb in Chicago ein Geschäft für Friseurbedarf. Er war in einem rauen Viertel in Chicago aufgewachsen, nachdem seine Eltern aus Italien eingewandert waren. Schon in Italien hatte er im Alter von vier Jahren behauptet, in die Zukunft sehen zu können.

DeLouise sagte am 25. November 1967 eine Katastrophe im Zusammenhang mit einer Brücke voraus, und nicht einmal einen Monat später, am 15. Dezember, stürzte die »Silver Bridge«, die bei Point Pleasant, West Virginia, über den Ohio River führte, ein. 46 Menschen kamen bei der Katastrophe ums Leben.

Dreieinhalb Monate vor den Festnahmen im Mordfall Sharon Tate nannte der Seher das in Texas gelegene Versteck eines der Verdächtigen, lieferte eine exakte Beschreibung von zwei anderen Männern, die an dem Mord beteiligt waren, und sagte die genaue Anzahl der Schuldigen vorher.

Im September 1969 prophezeite er ein Flugzeugunglück über Indianapolis, das sich um 3.30 Uhr ereignen würde. Einen Monat später, um genau 3.31 Uhr, traf die Vorhersage tatsächlich ein.

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