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Authors: Katharine Kerr

Polar City Blues (4 page)

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werde ich dich schneller, als du denkst, auf automatische] Funktionen umschalten ...«

Über den Monitor zuckt eine Reihe farbiger Blitze, dann] stellt sich das normale Dunkelgrau wieder ein.

»Ich bin bereit für den nächsten Befehl, wenn meine Programmiererin es wünscht.«

»So ist es schon besser. Also: Definiere die Datenbanken,] die hinsichtlich der Begräbnisbräuche der Carlis und ihrer] Gesetze betreffs Mord relevant sind, werte alles zur gegenwärtigen politischen Situation in Polar City aus, über Morde der letzten Zeit und so weiter. Frage die Datenbanken ab! und trage alle Informationen zusammen, bis zur vierten Zugriffsebene, die erstens für den Mord und zweitens für den Zwischenfall bei Mulligans Versuch zu
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relevant] sind. Mach mir einen Ausddruck davon.«

»Habe ich richtig verstanden? Relevante Datenbanken definiere ich so: nicht nur meine eigenen, sondern auch alle jene, in die ich mich mit einem Kennwort oder einem Code einschalten kann.«

»Genau das meine ich. Wenn du dich in fremde Datenbanken einschaltest, dann benutze eine falsche Identität.«

»Programmiererin, ich habe verstanden.«

Während Buddy damit beschäftigt ist, sich durch die elektronischen Labyrinthe zu arbeiten, geht Lacey ruhelos im Zimmer hin und her. Sie fragt sich, warum sie sich überhaupt mit Mulligan abgibt.

Er platzt bei ihr herein und stört sie bei der Arbeit. Er trinkt Unmengen Alkohol und bedankt sich kaum einmal. Er bettelt um Essen oder braucht eine Bleibe für die Nacht. Mehrere Male hat er schon Geld von ihr geliehen, ohne es je zurückzuzahlen. Er tut ihr leid - ein Para, der an einer Begabung leidet, die ihn zum Außenseiter in dieser Gesellschaft machte und ihn buchstäblich brandmarkte. Aber da war außer Mitleid noch etwas: Sie muß zugeben, daß sie seine Gesellschaft schätzt. Ein nüchterner Mulligan konnte einen ganz gewöhnlichen Morgen zu einer Party werden lassen, einen Spaziergang in die City zu einem

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regelrechten Abenteuer. Es gab Augenblicke, meistens hatte sie dann selbst schon einige Gläser getrunken, in denen sie sich fragte, ob sie ihn nicht weit mehr mochte, als daß man es Freundschaft nennen konnte. Er war für einen Weißen ein sehr gutaussehender Mann, mit einem weichen, vollen Mund und schmalen Augen. Aber gewöhnlich verbietet sie sich solche Gedanken in dem Augenblick, in dem sie auftauchen.

»Ach, Buddy: Schau doch mal in den Fernsehkanälen nach, ob es noch irgendwo ein Spiel gibt? Gib es mir auf den Fernsehschirm. Ich brauche etwas Abwechslung.«

»Es gibt nirgendwo ein Ballspiel.« Buddy klingt leicht verärgert und etwas abwesend, wie immer, wenn man von ihm verlangt, eine seiner Nebenfunktionen zu aktivieren. »Aber das hier könnte dich interessieren.«

Darauf folgt eine Sondermeldung des Nachrichtenstudios. Die Präsidentin der Republik steht im schmucklosen Pressesaal der Residenz vor ihrem imposanten Pult. Das Haar ist hastig zu einem Zopf geflochten, das Make-up eine kleine Spur verwischt - ein geschickt kalkulierter Effekt, so daß jedermann sehen kann, daß sie von wichtigen Amtsgeschäften sich hat losreißen müssen, um diese nichtssagende, beschwichtigende Erklärung abzulesen. Ein Mitglied der Botschaft der Konföderation sei ermordet worden; sein Name sei Imbethka Gren, was man grob mit >Der, der den Weg ebnet< übersetzen konnte. Er paßte ganz gut zu einem Untersekretär der Botschaft. Die Präsidentin versichert jedermann, daß die Polizei alle verfügbaren Mittel einsetze und daß auch die Staatspolizei sich in die Ermittlungen eingeschaltet habe.

»Das wird Bates gefallen«, bemerkt Lacey auf Merrkan, »wenn er an jedem Ärmel so einen Typen von denen hängen hat.«

»Sicher«, sagt Buddy, »Chief Bates hat seine Ansichten über die Staatspolizei schon häufiger klargemacht.«

»Und so«, erklärt die Präsidentin und blickt geradewegs in
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die Kamera, die großen, schwarzen Augen so überaus aufrichtig, daß Lacey am liebsten etwas gegen den Bildschirm geworfen hätte, »appellieren wir an alle in dieser Republik, die Polizei in ihren Bemühungen zu unterstürzen. Es ist ungeheuer wichtig, daß diese Sache aufgeklärt wird, so schnell wie irgend möglich.«

»Damit die Kons uns nicht in Grund und Boden bombardieren, wollte sie sagen.« Lacey greift nach der Fernbedienung und stellt den Ton ab.

»Nicht unnötig aufregen, Programmierer in. Die Allianz würde das nicht zulassen.«

»Eines schönen Tages werden es die einen oder anderen darauf ankommen lassen, wie die anderen reagieren. Dann werden wir wirklich und wahrhaftig befreit sein von allem Übel weil es uns nicht mehr geben wird.«

»Das wird nicht wegen dieses Mordes geschehen. Nach meiner Berechnung bleiben uns noch vierzehn Komma sechs Jahre, bevor die zunehmenden Spannungen eine Konfrontation unvermeidlich machen.«

»Du bist ein echter Trost, mein Schatz.«

Weil seine Programmiererin auch feine Änderungen des Tonfalls berücksichtigt, bleiben Ironie und Sarkasmus Buddy nicht verborgen. Er antwortet mit einem leichten Summen. Die Kamera in der Residenz schwenkt herum und bringt in Großaufnahme das Staatswappen; irgendein großer Raubvogel mit einem Bündel Laub in der einen Klaue, einem Raumschiff in der anderen und einem gestreiften Schild vor der Brust. Um den Rand des Wappens windet sich ein Schriftzug: £
steüis pluribus una.

Plötzlich ziehen sich eisblaue Streifen über den Bildschirm, bis nur noch Rauschen zu sehen ist. Von draußen hört man ein Grummeln, das zu einem Brüllen wird und schließlich zu einem schrillen Getöse. Lacey steht auf und geht zum Fenster. Vom Raumhafen ist ein Zubringerschiff gestartet und zieht eine Silberschnur hinter sich her. Mulligans Stimmung muß auf sie übergesprungen sein, denn ihre

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Augen füllen sich mit einigen wenigen Tränen, die sie rasch beiseitewischt. Mulligan hätte wohl eine Chance beim Baseball gehabt, aber sie hat viel mehr aufgeben müssen: die endlose Weite des interstellaren Raums. Abgedroschene Bilder kommen ihr in den Sinn, von Vögeln, die in Käfigen gehalten werden. Sie verscheucht sie mit einem weiteren Schluck Whisky.

Die Carlis, die maßgebliche Spezies der Konföderation, waren Augenwesen und schätzten jede Kunstform, die man mit dem Auge genießen konnte. So ist es nicht verwunderlich, daß die Botschaft der Konföderation ein wunderschöner Bau ist, ein anmutig geschwungener Halbkreis aus blaßbeigem Plastbeton, mit einer Oberfläche, die das Fugenmuster einzelner Steinblöcke nachahmt. Das Halbrund des Vorplatzes schmücken routenförmige Blumenbeete, voller roter und blauer Blumen vom Heimatplaneten der Carlis, und sorgfältig beschnittene Dornenbäume, die irgendwie symmetrisch angeordnet sind. Vor dem riesigen Tor, zwei Flügel aus echtem braunen Holz, importiert von Sarah, stehen zwei Menschen in steifen grauen Uniformen Wache. Als Chief Bates kurz nach Mitternacht auftaucht, salutieren sie mit äußerster Präzision und öffnen dann das Tor.

Beim Eintreten in die große Empfangshalle hat man das Gefühl, daß es hier an die zwanzig Grad kühler sein muß. Die Wände sind von blassem Blaugrün, der dicke Teppichboden ebenfalls, und in der Mitte der Halle murmelt ein richtiger Brunnen vor sich hin und läßt das Wasser über purpurne Kacheln in ein elfenbeinfarbenes Becken plätschern. An den Wänden über und über Metallskulpturen, die bevorzugte Kunstform der Carlis dünne, bizarr geformte Platten aus Gold, Silber, oxidiertem Kupfer und hin und wieder einem Edelstein, die zu einem komplizierten Muster zusammengefügt sind.

Jede der Skulpturen ist gut drei mal zwei Meter groß. Bates ist aufrichtig froh darüber, daß er für den Schutz

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dieser Schmuckstücke nicht verantwortlich ist. Gleich neben dem Brunnen steht ein großer Schreibtisch aus importiertem Rosenholz, so glatt poliert, daß der Computer darauf bis zur letzten Taste widergespiegelt wird.

Auch am Schreibtisch sitzt ein Mensch, eine Frau diesmal. Sie ist jung, hat rotblondes Haar und grüne Augen. Obwohl viele der Menschen, die innerhalb des Territoriums der Konföderation lebten (und das umfaßte mehr als zwanzig Systeme), weiß waren, so betrachtete Bates sie als etwas ganz anderes als die Weißen seiner Republik. An den Weißen der Konföderation fielen ihm immer die dünnen Lippen, die kalten Augen und ein ausgeprägter Mangel an Humor auf. Diese junge Frau bildet keine Ausnahme. Er versucht es mit seinem aufmunterndsten Lächeln, aber die einzige Reaktion ist ein Blick, der die Einzelheiten seiner Uniform zu registrieren scheint.

»Sie müssen dieser Polizist sein.«

»Ich bin der Polizeichef von Polar City.«

»Ich habe Anweisung, Sie sofort hineinzuschicken.« Ihr Tonfall sagt, daß sie das für einen großen Fehler hält. »Würden Sie bitte durch die linke Tür gehen?«

Die linke Tür trägt ein Messingschild mit einer Aufschrift in Carli und Merrkan, auf dem zu lesen ist, daß sich hier das Büro des Protokollchefs befindet. Weil er erwartet hat, den Botschafter persönlich zu sprechen, ist Bates ein wenig verärgert. Dann erinnert er sich, daß in der Welt der Carlis kein hochgestellter Beamter jemals kurzfristig zu sprechen ist wenn es nicht gerade um Krieg und Frieden ging. Daß der Protokollchef ihn empfangen will, ohne ihn eine Stunde in der Halle warten zu lassen, spricht schon von äußerster Kooperationsbereitschaft. Nach kurzem Klopfen tritt er in einen zweiten großen Saal, der ganz in braunen Farbtönen gehalten ist, ein rötliches und sehr helles Braun, mit Ausnahme eines großen blaugrünen Teppichs an der gegenüberliegenden Wand. Der Schreibtisch des Protokollchefs ist noch größer und glänzt weit strahlender als der in der Ein-36

gangshalle. Davor geht nervös ein männlicher Carli mit goldenem Fell auf und ab, der die lange grüne Robe der Kriegerkaste trägt. Seine Ohren sind nur halb aufgerichtet, was bedeutet, daß er wirklich bekümmert ist.

»Exzellenz«, sagte Bates, »erlauben Sie mir, Ihnen zu diesem Verlust mein aufrichtiges Mitgefühl auszusprechen.«

»Ich danke Ihnen.« Eine Pause. »Wir haben mit Ka Gren einen vielversprechenden Mann verloren, der zu großen Hoffnungen Anlaß gab.« Seine Aussprache des Merrkan ist erstaunlich gut; er vermeidet die leichten Knurrlaute beim r, wie sie für die Carlis typisch sind. Aber schließlich ist dies eine hochoffizielle Gelegenheit. »Mein Name ist Hazorth ka PralliFrankmo.«

»Ka Pral, ich weiß die Ehre zu schätzen. Ich bin Albert Bates.«

»Bates, die Ehre ist ganz meinerseits.«

Sie verbeugten sich, dann musterten sie sich gegenseitig einen Augenblick lang, nicht ohne Argwohn.

Der Polizeichef ist geneigt, diesen Carli zu mögen. Dieser Name, den er sich zugelegt hatte, bedeutete: Der, der über schmale Brücken geht. Auf Merrkan würde man sagen: ein Haarspalter. Offensichtlich besaß der Protokollchef die Fähigkeit, seine Arbeit mit Humor zu betrachten - und Humor war unter Carlis sehr selten. Seine Ohren richten sich langsam bis zur vollen Länge auf. Das ist ein Zeichen, daß er Bates akzeptiert.

»Möchten Sie Platz nehmen und etwas trinken?« Der Protokollchef deutet auf einen niedrigen grünen Diwan unter dem Wandteppich.

Abzulehnen hätte als unhöflich gegolten. Also verbeugt sich Bates noch einmal und setzt sich vorsichtig auf die Kante des mit Kissen überhäuften Diwans, während der Protokollchef nach einem Diener klingelt. Eine junge Carli in grauem Overall erscheint und bringt eine Kristallkaraffe und zwei Gläser auf einem Bronzetablett. Sie stellt das Tablett auf das Serviertischchen neben dem Diwan und ver-37

beugt sich dann so tief, daß sie mit der Nase fast den Erdboden berührt. Der Protokollchef zischt ein Wort in seiner Sprache, worauf sie sich umdreht und rasch verschwindet.

»Sie bemüht sich«, sagt der Carli anerkennend, »als sie hier anfing, war sie sehr nachlässig.«

»Ach ja«, sagt Bates. »Vielleicht war es schwierig für sie, so weit von ihrem Heimatplaneten weg zu sein.«

»Wissen Sie, daran habe ich noch gar nicht gedacht. Vielleicht haben Sie recht.«

Der Protokollchef gießt eine hellgrüne Flüssigkeit ein und gibt Bates ein Glas; dann nimmt er das seine und setzt sich in die andere Ecke des Diwans. Sie heben beide die Gläser, bewundern flüchtig das Hellgrün und nehmen einen kleinen Schluck. Bates ist hocherfreut, daß es süß schmeckt und nur wenig Alkohol enthält. Es gab bei den Carlis alkoholische Getränke, von denen sogar ein Drache auf Beta-Pic flach auf seinen stacheligen Rücken fallen konnte.

»Ich bewundere den Geschmack Eurer Exzellenz in der Webkunst«, sagt Bates mit einem Nicken zu dem grünen Monstrum hinter seinem Rücken. »Ich vermute, daß ein so schönes Stück nicht von unserem armseligen kleinen Planeten stammen kann.«

»Er stammt von unserem Heimatplaneten.« Mit einem zufriedenen Seufzer macht es sich Ka Pral in den Polstern bequem. »Er ist auf eine ganz besondere Weise gewebt.«

Eine Stunde später nähert sich die Konversation ganz allmählich dem Grund für Bates Besuch. Der Polizeichef erfährt, daß der Ermordete damit begonnen hatte, eine Sammlung von Teppichen im Webstil der guten alten Erde zusammenzutragen, und schließlich berichtet Ka Pral, daß Ka Gren gestern die Botschaft verließ, um eine geheimnisvolle Besorgung zu machen, zwei Stunden nach Sonnenaufgang, und nie mehr zurückkehrte.

»Weil er dienstfrei hatte, hatte ich natürlich nichts dagegen, aber es war doch merkwürdig. Wie die meisten unserer jüngeren Leute brauchte er viel Schlaf und ging normalerweise sofort nach dem Abendessen zu Bett und schlief, bis er zum Frühstück geweckt wurde.«

»Das ist interessant, Exzellenz. Ist es erlaubt zu fragen, wer ihn gewöhnlich weckte?«

»Unsere Hausmeisterin, Kaz Trem. Der Hausverwaltungscomputer ist programmiert, automatisch Wecksignale an die Terminals in den Wohnräumen des Botschaftspersonals zu schicken, doch überprüft die Hausmeisterin gewöhnlich am Monitor, ob das Wecksignal beantwortet wird. Wie ich schon sagte, unsere jungen Leute schlafen sehr fest; es hat, soviel ich weiß, mit unserer Natur als fleischfressende Wesen zu tun. Als Ka Gren nicht antwortete, ging Kaz Trem zu seinem Zimmer. Alle Schlösser, mit Ausnahme jener in der Suite und den Amtsräumen des Botschafters, reagieren natürlich auf ihren Handabdruck, und als sie öffnete, fand sie das Bett unberührt. Sie kam sofort zu mir. Wir haben gerade beratschlagt, was zu tun sei, als wir Ihren Anruf erhielten.« Seine Ohren werden schlaff und hängen traurig herunter. »In dem Augenblick, in dem Sie sagten, daß es sich um einen unserer Leute handele, war ich sicher, daß es Ka Gren war. Niemand sonst war außer Haus.«

»Und natürlich kam Ihr Sicherheitschef, um ihn zu identifizieren. Es tut mir leid und beschämt mich zutiefst, der Überbringer einer so traurigen Nachricht gewesen zu sein.«

»Ich teile Ihre Betrübnis, aber Sie haben keinen Grund zur Scham.

»Ich danke Eurer Exzellenz. Ich weiß, daß es vermessen ist, Sie und Ihre Landsleute in Ihrer Trauer zu stören, aber es ist notwendig, einige Fragen zu stellen ...«

»Wir werden gerne Ihre Fragen beantworten, so weit wir können. Bates, meine Spezies gleicht der Ihren in dem Bedürfnis nach Vergeltung. Ich wünsche, daß der Mörder Ka Grens gefunden und vor Gericht gebracht wird - das heißt natürlich, wenn dieses Wesen Ihrer Gerichtsbarkeit untersteht.«

Bates stutzt, dann versteht er die Andeutung. Ka Pral

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