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Authors: Johann Wolfgang Von Goethe

Faust (55 page)

FAUST, MEPHISTOPHELES, IRRLICHT

 
        (
im Wechselgesang
).
 
              In die Traum- und Zaubersphäre
 
              Sind wir, scheint es, eingegangen.
 
              Führ’ uns gut und mach’ dir Ehre,
 
              Daß wir vorwärts bald gelangen
 
              In den weiten, öden Räumen!
 
              Seh’ die Bäume hinter Bäumen,
 
              Wie sie schnell vorüberrücken,
 
              Und die Klippen, die sich bücken,
 
              Und die langen Felsennasen,
3880
              Wie sie schnarchen, wie sie blasen!
 
              Durch die Steine, durch den Rasen
 
              Eilet Bach und Bächlein nieder.
 
              Hör’ ich Rauschen? hör’ ich Lieder?
 
              Hör’ ich holde Liebesklage,
 
              Stimmen jener Himmelstage?
 
              Was wir hoffen, was wir lieben!
 
              Und das Echo, wie die Sage
 
              Alter Zeiten, hallet wider.
 
              Uhu! Schuhu! tönt es näher,
3890
              Kauz und Kiebitz und der Häher,
 
              Sind sie alle wach geblieben?
 
              Sind das Molche durchs Gesträuche?
 
              
Lange Beine, dicke Bäuche!
 
              Und die Wurzeln, wie die Schlangen,
 
              Winden sich aus Fels und Sande,
 
              Strecken wunderliche Bande,
 
              Uns zu schrecken, uns zu fangen;
 
              Aus belebten derben Masern
 
              Strecken sie Polypenfasern
3900
              Nach dem Wandrer. Und die Mäuse
 
              Tausendfärbig, scharenweise,
 
              Durch das Moos und durch die Heide!
 
              Und die Funkenwürmer fliegen
 
              Mit gedrängten Schwärmezügen
 
              Zum verwirrenden Geleite.
 
              Aber sag’ mir, ob wir stehen,
 
              Oder ob wir weitergehen?
 
              Alles, alles scheint zu drehen,
 
              Fels und Bäume, die Gesichter
3910
              Schneiden, und die irren Lichter,
 
              Die sich mehren, die sich blähen.

MEPHISTOPHELES.

 
Fasse wacker meinen Zipfel!
 
Hier ist so ein Mittelgipfel,
 
Wo man mit Erstaunen sieht,
 
Wie im Berg der Mammon glüht.

FAUST.

 
Wie seltsam glimmert durch die Gründe
 
Ein morgenrötlich trüber Schein!
 
Und selbst bis in die tiefen Schlünde
 
Des Abgrunds wittert er hinein.
3920
Da steigt ein Dampf, dort ziehen Schwaden,
 
Hier leuchtet Glut aus Dunst und Flor,
 
Dann schleicht sie wie ein zarter Faden,
 
Dann bricht sie wie ein Quell hervor.
 
Hier schlingt sie eine ganze Strecke
 
Mit hundert Adern sich durchs Tal,
 
Und hier in der gedrängten Ecke
 
Vereinzelt sie sich auf einmal.
 
Da sprühen Funken in der Nähe,
 
Wie ausgestreuter goldner Sand.
3930
Doch schau! in ihrer ganzen Höhe
 
Entzündet sich die Felsenwand.

MEPHISTOPHELES.

 
Erleuchtet nicht zu diesem Feste
 
Herr Mammon prächtig den Palast?
 
Ein Glück, daß du’s gesehen hast;
 
Ich spüre schon die ungestümen Gäste.

FAUST.

 
Wie rast die Windsbraut durch die Luft!
 
Mit welchen Schlägen trifft sie meinen Nacken!

MEPHISTOPHELES.

 
Du mußt des Felsens alte Rippen packen,
 
Sonst stürzt sie dich hinab in dieser Schlünde Gruft.
3940
Ein Nebel verdichtet die Nacht.
 
Höre, wie’s durch die Wälder kracht!
 
Aufgescheucht fliegen die Eulen.
 
Hör’, es splittern die Säulen
 
Ewig grüner Paläste.
 
Girren und Brechen der Äste!
 
Der Stämme mächtiges Dröhnen!
 
Der Wurzeln Knarren und Gähnen!
 
Im fürchterlich verworrenen Falle
 
Übereinander krachen sie alle,
3950
Und durch die übertrümmerten Klüfte
 
Zischen und heulen die Lüfte.
 
Hörst du Stimmen in der Höhe?
 
In der Ferne, in der Nähe?
 
Ja, den ganzen Berg entlang
 
Strömt ein wütender Zaubergesang!

HEXEN
(
im
CHOR
)
.

 
              Die Hexen zu dem Brocken ziehn,
 
              Die Stoppel ist gelb, die Saat ist grün.
 
              Dort sammelt sich der große Hauf,
 
              Herr Urian sitzt oben auf.
3960
              So geht es über Stein und Stock,
 
              Es f—t die Hexe, es stinkt der Bock.

STIMME.

 
Die alte Baubo kommt allein,
 
Sie reitet auf einem Mutterschwein.

CHOR.

 
              So Ehre denn, wem Ehre gebührt!
 
              Frau Baubo vor! und angeführt!
 
              Ein tüchtig Schwein und Mutter drauf,
 
              Da folgt der ganze Hexenhauf.

STIMME.

 
Welchen Weg kommst du her?

STIMME.

 
                                                  Übern Ilsenstein!
 
Da guckt’ ich der Eule ins Nest hinein.
 
Die macht’ ein Paar Augen!

STIMME.

3970
                                                  O fahre zur Hölle!
 
Was reitst du so schnelle!

STIMME.

 
Mich hat sie geschunden,
 
Da sieh nur die Wunden!

HEXEN (
CHOR
).

 
              Der Weg ist breit, der Weg ist lang,
 
              Was ist das für ein toller Drang?
 
              Die Gabel sticht, der Besen kratzt,
 
              Das Kind erstickt, die Mutter platzt.

HEXENMEISTER
(
Halbes
CHOR
).

 
              Wir schleichen wie die Schneck’ im Haus,
 
              Die Weiber alle sind voraus.
3980
              Denn, geht es zu des Bösen Haus,
 
              Das Weib hat tausend Schritt voraus.

ANDRE HÄLFTE.

 
Wir nehmen das nicht so genau,
 
Mit tausend Schritten macht’s die Frau;
 
Doch, wie sie auch sich eilen kann,
 
Mit einem Sprunge macht’s der Mann.

STIMME
(
oben
)
.

 
Kommt mit, kommt mit, vom Felsensee!

STIMME
(
von unten
)
.

 
Wir möchten gerne mit in die Höh’.
 
Wir waschen, und blank sind wir ganz und gar;
 
Aber auch ewig unfruchtbar.

BEIDE CHÖRE.

3990
              Es schweigt der Wind, es flieht der Stern,
 
              Der trübe Mond verbirgt sich gern.
 
              Im Sausen sprüht das Zauberchor
 
              Viel tausend Feuerfunken hervor.

STIMME
(
von unten
)
.

 
Halte! Halte!

STIMME
(
von oben
)
.

 
Wer ruft da aus der Felsenspalte?

STIMME
(
unten
)
.

 
Nehmt mich mit! Nehmt mich mit!
 
Ich steige schon dreihundert Jahr,
 
Und kann den Gipfel nicht erreichen.
 
Ich wäre gern bei meinesgleichen.

BEIDE CHÖRE.

4000
              Es trägt der Besen, trägt der Stock,
 
              Die Gabel trägt, es trägt der Bock;
 
              Wer heute sich nicht heben kann,
 
              Ist ewig ein verlorner Mann.

HALBHEXE
(
unten
)
.

 
Ich tripple nach, so lange Zeit;
 
Wie sind die andern schon so weit!
 
Ich hab’ zu Hause keine Ruh,
 
Und komme hier doch nicht dazu.

CHOR DER HEXEN.

 
              Die Salbe gibt den Hexen Mut,
 
              Ein Lumpen ist zum Segel gut,
4010
              
Ein gutes Schiff ist jeder Trog;
 
              Der flieget nie, der heut nicht flog.

BEIDE CHÖRE.

 
              Und wenn wir um den Gipfel ziehn,
 
              So streichet an dem Boden hin,
 
              Und deckt die Heide weit und breit
 
              Mit eurem Schwarm der Hexenheit.
 
        (
Sie lassen sich nieder
.)

MEPHISTOPHELES.

 
Das drängt und stößt, das ruscht und klappert!
 
Das zischt und quirlt, das zieht und plappert!
 
Das leuchtet, sprüht und stinkt und brennt!
 
Ein wahres Hexenelement!
4020
Nur fest an mir! sonst sind wir gleich getrennt.
 
Wo bist du?

FAUST
(
in der Ferne
)
.

 
Hier!

MEPHISTOPHELES.

 
              Was! dort schon hingerissen?
 
Da werd’ ich Hausrecht branchen müssen.
 
Platz! Junker Voland kommt. Platz! süßer Pöbel, Platz!
 
Hier, Doktor, fasse mich! und nun, in e i n e m Satz,
 
Laß uns aus dem Gedräng’ entweichen;
 
Es ist zu toll, sogar für meinesgleichen.
 
Dort neben leuchtet was mit ganz besondrem Schein,
 
Es zieht mich was nach jenen Sträuchen.
 
Komm, komm! wir schlupfen da hinein.

FAUST.

4030
Du Geist des Widerspruchs! Nur zu! du magst mich führen.
 
Ich denke doch, das war recht klug gemacht:
 
Zum Brocken wandeln wir in der Walpurgisnacht,
 
Um uns beliebig nun hieselbst zu isolieren.

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